Vorschau & Interview mit Bernd Diemer zu Crysis
Wer an dem voraussichtlich noch einige Monate auf sich warten lassende Videospiel Crysis der erfolgreichen Entwicklerfirma Crytek aus Deutschland interessiert ist, die mit ihrem Debuetwerk Far Cry internationale Erfolge feiern durften, kann sich ueber dieses ungezwungene Preview und das darauf folgende Interview mit dem Senior Game Designer Bernd Diemer von heute - ach, nee: gestern - freuen. [...]
(show me)(don't show me)
Bei dem Video, von dem im Artikel die Rede ist, sollte es sich, soweit ich das einschaetzen kann, um dieses die atemberaubende Welt von Crysis vom programmier-technischen Standpunkt aus beschreibende Video handeln:
Quicktime Format (mov) | Windows Media Format (wmv)
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Crysis · Vorschau
von Kristian Metzger · 23/04/07 10:05
Nach dem viel versprechenden Auftakt am Donnerstag lauerte am Freitag morgen das geheime Highlight der Entwicklerkonferenz. Senior Game Designer Bernd Diemer von Crytek lieferte unter dem etwas kryptischen Titel „The Nanosuit playground: Iterative gameplay design for Crysis“ einen Einblick in die Arbeitsweise des internationalen Entwickler-Teams und zeigte die Tools, mit denen ihr Technik-Wunder konzipiert wurde. Nebenbei gab es noch ein paar aktuelle Szenen aus dem Spiel zu sehen und am Ende eine kleinen Videoclip mit einer bombigen Überraschung.
Als Grundlage sollte man vielleicht kurz den Begriff Iteration (Wiederholung) in der Informatik erklären. Er bezeichnet einen Entwicklungszyklus, der immer wiederkehrend die einzelnen Elemente im Designprozess umsetzt und überprüft. Durch diese Vorgehensweise können schlechte Designideen schnell aussortiert und damit die Entwicklung deutlich verbessert werden. Dabei sollte aber auch nicht verschwiegen werden, dass diese effektive, aber aufwändige Vorgehensweise jede Menge Manpower erfordert und nur bei großen Produktionen eingesetzt werden kann.
Neue Superhelden braucht das Land
Doch zurück zu Crysis, das wie fast alle Spiele zuerst einmal auf einem Whiteboard Gestalt annahm. Hintergrundgeschichte und Sandbox-Aufbau waren zu diesem Zeitpunkt schon vorhanden. Die restlichen Features wurden in einem Brainstorming gesammelt. Schnell hatte man eine ganze Reihe „cooler“ Sachen an die Wand gemalt. Viele dieser frühen Ideen sind übrigens noch heute in dem Spiel zu finden und werden auch den Release erleben. Neben Klassikern, wie „Zerstörbaren Reifen“, „Explodierenden Autos“ und „Intelligenten Gegnern“, gab es auch erste Ansätze, die mit einem normalen Shooter-Helden nicht zu bewältigen wären. Doch wie setzt man „Tarnmöglichkeit“, „Superstärke“ und „Weitsprung“ in die Realität um?
Als erste Idee geriet das Future Warrior-Programm der amerikanischen Regierung in den Fokus, das einige dieser Fähigkeiten in sich vereinigt. Doch das High-Tech-Equipment ging noch nicht weit genug. Zudem sah die Ausrüstung zu wuchtig aus und wurde dem Science-Fiction-Thematik der Hintergrundgeschichte nicht gerecht. Deshalb wurde mit der Nano-Suit ein Anzug geschaffen, der nicht nur deutlich hübscher anzusehen war, sondern auch viel mehr Interaktivität mit der Umgebung zuließ. Außerdem sollte die Entfernung bei den Kämpfen gegenüber Far Cry deutlich reduziert werden, damit man man die hübschen Gegner-Modelle in ihrer ganzen Pracht bestaunen konnte.
Doch vor der Entwicklung eines ersten Prototypen musste das Gamedesign auch einen ersten Interface-Entwurf gestalten. Schließlich muss der Spieler solch ein mächtiges Tool wie der Nano-Suit auch vernünftig bedienen können. Bernd Diemer fertige daraufhin erste Entwürfe in dem Grafikprogramm Visio an, die dann mit der Art-Direktion in erste Interface-Elemente umgesetzt wurden. Vier unterschiedliche Anzugeinstellungen wurden festgelegt. Speed, Strength, Armor und Cloak repräsentieren dabei die unterschiedlichen Spielideen aus der Brainstorming-Phase und ermöglichen eine individuelle Anpassung der Spielweise. Jede Einstellung besitzt Vor – und Nachteile.
High-Tech-Ausrüstung für einen unmöglichen Kampf
Während man mit „Speed“ in kürzester Zeit von Deckung zu Deckung sprinten kann, aber mehr Schaden nimmt, erhöht sich bei „Strength“ die Stärke und die Sprunghöhe in Kombination mit einer niedrigeren Geschwindigkeit. „Mit Cloak“ nimmt der Nano Suit die exakte Beschaffenheit des Hintergrunds ein und macht den Spieler damit nahezu unsichtbar, doch dafür entleert sich schnell die Anzugsenergie und man kann unverhofft ohne Schild vorm Gegner stehen. Bei „Armor“ dagegen hält man nicht nur die meisten Geschosse aus, sondern regeneriert auch am schnellsten Lebensenergie. Anfangs konnte man den Energieoutput und die Lebensregeneration des Anzugs zusätzlich noch mit Schiebereglern verändern. Erste Prototypen und Fokus-Gruppen zeigten allerdings, dass dies den meisten Spielern zu kompliziert war. So wurde Form und Bedienung und auch die Funktionalität mit jedem Designdurchgang an die Wünsche und Bedürfnisse des Zielpublikums angepasst.
Zur Überprüfung der Ergebnisse wurde ein Team damit beauftragt, eine erste Version des Nano Suit Playgrounds zu erschaffen. Mit der ersten Engine-Version entstand so ein Prototyp, der speziell auf die einzelnen Spielelemente ausgelegt war. In einer speziellen Karte wurden vorhandene Objekte in das System integriert und so alle Ideen genaustens geprüft. Neben dem eigentlichen Game-Design-Team wurden auch vermehrt andere Team-Mitglieder, aber auch externe Tester eingesetzt. Ergaben sich dann neue Entwicklungen, wurde der Prototyp verworfen und mit den Veränderungen eine zweite Version geschaffen. Gleichzeitig flossen die Erkenntnisse in erste Guidelines und Stylesheets, die für Art Direktion, Programmierung und Level-Design die Rahmenbedingungen festlegten.
Ein Tester wollte zum Beispiel einen Wasserspeicher besteigen und sammelte fleißig Tonnen, um eine Treppe zu bauen. Als er dann aber oben angekommen war, konnte er nicht auf dem Gebäude stehen, weil es keine Kollisionsabfrage besaß. Im nächsten Durchgang wurde die dann zwar eingebaut, dann beschwerten sich aber einige Tester darüber, dass es dort oben nach all der Mühe nichts zu finden gab. Also wurde ein Scharfschützengewehr auf dem Dach platziert, um die ganze Arbeit zu belohnen. Am härtesten traf es dabei manchmal die Programmierer. Sie mussten all die wahnwitzigen Wünsche umsetzen, die die Tester beim Spielen entwickelten. So fragte sich die Fokus-Gruppe, warum man die Bäume zwar zerstören, aber nicht aufnehmen kann. Wenn man dann aber zum Beispiel mit einem Busch in der Hand an einem Gegner vorbei läuft, muss dieser auch wissen, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Auch ist es logisch, dass wenn man schon ein Auto benutzen kann, man auch alle anderen Fahrzeuge einsetzen möchte. Um also die konsistent der Welt zu garantieren, wurden nach und nach alle logischen Fehler ausgebaut, ganz egal wie viel Arbeit dies bedeutete.
Richtlinien für ein gutes Game-Design
Die Guidelines wurden immer komplexer und zum Teil auch in Form von kleinen Tools integriert. Zum Beispiel zeigen Pfeile mit bestimmter Länge, wie weit der Spieler mit der Speed-Einstellung sprinten kann. Die Level-Designer mussten also immer am Ende einer solchen Linie eine Deckung einbauen, um eine taktische Vorgehensweise zu ermöglichen. Parallel dazu entstanden immer neue Interface-Entwürfe, bis die bildschirmfüllenden Bedienelemente auf ein kleines Drehrad zusammenschrumpften. Zusätzlich wurde für Hardcore-Gamer eine Tastatur-Steuerung der Einstellungen integriert, die sich vor allem in den Multiplayer-Gefechten etablierte.
Für die anwesenden Fachbesucher lieferte Herr Diemer auch einige Leitsätze, die gerade in deutschen Produktionen viel zu selten umgesetzt werden. Gerade „Der Spieler hat immer recht, wenn es ihm nicht gefällt, hat man was falsch gemacht“ sollten sich wirklich alle Entwickler zu Herzen nehmen. Mit einer dick gefüllten Kriegskasse ist das natürlich leicht gesagt. Crytek kann es sich eben erlauben, so lange Prototypen zu machen, bis auch der letzte Tester mit dem Ergebnis zufrieden ist. Trotzdem hätte es einigen deutschen Teams geholfen, wenn sie Sätze wie „Feedback ist euer Freund“, „Mehrheitsentscheidungen sind wichtig, aber Innovationen brauchen Zeit“ oder „Prototypen muss man wegschmeißen können“ für ihre Produktionen verinnerlicht hätten.
Nach den beeindruckenden Spielszenen im aktuellen Nano-Suit-Playground gab uns Bernd Diemer mit einem Lächeln noch eine kleine Videosequenz mit auf dem Weg. Statt der lauschigen Insel, dem vereisten Urwald oder den gerade erst geleakten Weltraumszenen spielten die bewegten Bilder in einer wüstenartigen Umgebung. Doch die Idylle wurde schon nach wenigen Sekunden von einer gewaltigen Explosion zerrissen. Die Schockwelle knickt Bäume und Gebäude wie Streichhölzer um und mit einem mächtigen Schlag endet das Video.
Da wir nach der Vorführung noch nicht genug von Crysis hatten, schnappten wir uns den Game Designer für ein kleines Interview. Schließlich blieben trotz des Workshops noch ein paar Fragen offen und durch den geleakten Alienworld-Trailer gab es auch sonst noch genug Gesprächsbedarf.
Eurogamer: Hallo erstmal, erzähl doch mal etwas über Dich. Warst Du schon bei Far Cry dabei?
Bernd Diemer: Ich bin Senior Game Designer von Crysis und erst nach Far Cry zu Crytek gestoßen. Ich kannte die Yerli-Brüder schon ziemlich lange und war die Jahre über immer mit ihnen in Kontakt. Kennen gelernt habe ich sie in Karlsruhe am ZKM (Zentrum für Kunst und Medientechnologie). Dort war ich 3 Jahre als Artist und Resident tätig und setzte mich erstmals mit Spielen auseinander. Ich hatte dort eine Gruppe, mit denen ich erste Spiele entwickelte, die aber sehr künstlerisch waren. Schon in meiner Diplomarbeit in Medienkunst habe ich mit Kommilitonen ein Spiel entwickelt. Nach heutigen Maßstäben war das eine recht klägliche Angelegenheit, ein Doom-Nachbau ohne richtiges 3D. In die Branche bin ich dann eingestiegen, weil ich Glück hatte. Ein Freund eines Freundes kannte jemanden.
Eurogamer: Und wie bist Du dann zu Crytek gekommen?
Bernd Diemer: Nachdem ich eine Menge Erfahrung in verschiedenen Entwicklerstudios (zum Beispiel Radon Labs/Project N.O.M.A.D.S.) gesammelt und viel in der Games Academy gelehrt habe, wollte mich Cervat Yeril als Senior-Designer bei Crysis dabei haben.
Eurogamer: Bei anderen Studios kümmern sich die Game Designer noch zum Teil um das Level-Design und um die Story. Gibt es bei Euch eine klare Trennung?
Bernd Diemer: Ich habe natürlich einen gewissen Einfluss auf diese Bereiche und verantworte auch, dass das alles zusammen passt. Das ist nicht so leicht zu trennen. Aber ich schreibe keine Story und keine Dialoge, denn wenn ich es machen würde, wären sie schlecht. Mehr als „Roger“, „Over and out“ und „Incoming Fire“ kommt da nicht zusammen.
Eurogamer: Das bekommst Du gerade noch so hin?
Bernd Diemer: (lacht) Ja. Aber Story- und Character-Development sind einfach nicht so mein Ding. Und beim Level-Design haben wir einfach auch bessere Leute, die sich darum kümmern.
Eurogamer: Wie viel Einfluss nehmen denn die Yerli-Brüder noch auf das Projekt? Die Stroy und die Spielidee soll doch von Cervat sein, oder?
Bernd Diemer: Cervat ist der Kreativ-Direktor bei Crytek und ich stimme eigentlich meine Arbeit täglich mit ihm ab. Vor allem wenn es um Features geht, hat er viele Ideen, die uns weiterhelfen. Ich gehe aber auch zu ihm, wenn ich eine Eingebung habe. Das geht so weit herunter, dass ich ihm sage, dass ich den Zug schneller machen möchte und er mir dann seinen Eindruck dazu vermittelt. Zusammen mit einem kleinen Team haben wir am White Board die Grundlagen geschaffen, die heute das Spiel ausmachen. Aber die eigentliche Spielidee und die Story sind zumindest in groben Zügen von Cervat. Ausformuliert wurde die Story aber dann von einem Autorenteam. Die haben von Cervat nur ein Treatment bekommen, wo drauf steht „Du bist auf einer Insel“, „Du musst das und das machen“ und „Die und die Charaktere hätten wir gern“. Die machen dann ein Storygerüst über das wir dann drüber gehen und sagen, was uns gefällt und was nicht. Und die arbeiten dann das aus.
Eurogamer: Darfst Du denn schon was zu den Zero-Gravity-Geschichten aus dem geleakten Video sagen?
Bernd Diemer: Ich darf nur sagen, dass wir sie haben.
Eurogamer: Findest Du es denn schade, dass der Trailer geleakt ist und damit zu viel von den Aliens gezeigt wurde?
Bernd Diemer: Ja sehr, weil wir aus der Präsentation einen schönen Event machen wollten. Wir haben uns darauf gefreut. Wir wollten das ordentlich machen und das was geleakt ist, ist nicht das, was wir zeigen wollten. Es war uralt und entspricht nicht mehr dem aktuellen Stand. Das war eben ein internes Franchise-Video, das nicht für die Öffentlichkeit gemacht war und das finde ich halt schade. Wir hatten schon was viel besseres vorbereitet und nun wissen wir nicht genau, wie wir damit umgehen sollen. Wir sind ja in dem Bereich so etwas wie Geek-Rockstars – worauf ich auch ein wenig stehe (grinst) – deswegen wollten wir die Aliens mit einem großen Tam-Tam enthüllen. Ich sah mich schon auf einer großen Tribüne ein Alien-Modell enthüllen. Das kann ich mir jetzt abschminken.
Eurogamer: Kannst Du uns denn sagen, ob es auch Zero-Gravity Multiplayer-Level geben wird?
Bernd Diemer: Das überlassen wir unseren Moddern. Man kann es machen, aber wir machen es nicht. Genauso wie Coop. Das ist etwas, was wir unheimlich gerne selbst machen würden, aber wir haben einfach nicht die Zeit dazu.
Eurogamer: Das ist relativ schade. Zumal ja die erfolgreichsten Titel, beispielsweise auf der Xbox 360, Coop hatten.
Bernd Diemer: Ja, etwa Gears of War.
Eurogamer: Oder aber Crackdown.
Bernd Diemer: Das habe ich noch nicht gespielt, aber viele bei uns in der Firma spielen das ausgiebig. Aber was ich noch zu Coop sagen könnte, wäre, dass wir natürlich eine schlechte Umsetzung hätten machen können. Also wie bei Quake und einfach einen zweiten Player spawnen. So etwas wollten wir aber nicht. Wenn wir schon einen kooperativen Modus umgesetzt hätten, hätten wir etwas besonderes machen wollen. Da mussten wir leider feststellen, dass wir dafür keine Zeit haben.
Eurogamer: Wie sieht es denn mit der Freiheit aus. Verwendet Ihr bei Crysis so wenig Skripte wie möglich?
Bernd Diemer: Es ist ein gutes Stück systematischer geworden, weil wir KI-Systeme haben, die besser damit klar kommen, was der Spieler macht. Es gibt natürlich auch geskriptete Events, wo wir wollen, dass an der Stelle etwas passiert. Das sind vor allem Story-relevante Sachen.
Eurogamer: Also habt Ihr die Künstliche Intelligenz weiter ausgebaut?
Bernd Diemer: Mussten wir, weil die Welt ein ganzes Stück komplexer geworden ist.
Eurogamer: Werden denn auch die Aliens intelligent agieren oder sind sie wie die Mutanten in Far Cry nur aufs Töten aus?
Bernd Diemer: Sie verwenden die gleichen KI-Routinen wie die Soldaten, besitzen die gleichen sensorischen Fähigkeiten und werden ebenso intelligent agieren. Sie haben logischerweise ein paar andere Verhaltensweisen, aber sie besitzen auch Gruppentaktiken.
Eurogamer: Kannst Du uns denn sagen, wie weit Ihr mit dem Titel seid?
Bernd Diemer: Wir sind jetzt fast Alpha. So wie die neuste Version, die ich Euch vorhin im Vortrag gezeigt habe, wird das Spiel auch am Ende aussehen. Wir haben alles drin, aber noch funktionieren nicht alle Sachen, wie wir es haben wollen.
Eurogamer: Vielen Dank für das Gespräch.
>> # top # | Q: Euro Gamer.de
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Bei dem Video, von dem im Artikel die Rede ist, sollte es sich, soweit ich das einschaetzen kann, um dieses die atemberaubende Welt von Crysis vom programmier-technischen Standpunkt aus beschreibende Video handeln:
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Crysis · Vorschau
von Kristian Metzger · 23/04/07 10:05
Nach dem viel versprechenden Auftakt am Donnerstag lauerte am Freitag morgen das geheime Highlight der Entwicklerkonferenz. Senior Game Designer Bernd Diemer von Crytek lieferte unter dem etwas kryptischen Titel „The Nanosuit playground: Iterative gameplay design for Crysis“ einen Einblick in die Arbeitsweise des internationalen Entwickler-Teams und zeigte die Tools, mit denen ihr Technik-Wunder konzipiert wurde. Nebenbei gab es noch ein paar aktuelle Szenen aus dem Spiel zu sehen und am Ende eine kleinen Videoclip mit einer bombigen Überraschung.
Als Grundlage sollte man vielleicht kurz den Begriff Iteration (Wiederholung) in der Informatik erklären. Er bezeichnet einen Entwicklungszyklus, der immer wiederkehrend die einzelnen Elemente im Designprozess umsetzt und überprüft. Durch diese Vorgehensweise können schlechte Designideen schnell aussortiert und damit die Entwicklung deutlich verbessert werden. Dabei sollte aber auch nicht verschwiegen werden, dass diese effektive, aber aufwändige Vorgehensweise jede Menge Manpower erfordert und nur bei großen Produktionen eingesetzt werden kann.
Neue Superhelden braucht das Land
Doch zurück zu Crysis, das wie fast alle Spiele zuerst einmal auf einem Whiteboard Gestalt annahm. Hintergrundgeschichte und Sandbox-Aufbau waren zu diesem Zeitpunkt schon vorhanden. Die restlichen Features wurden in einem Brainstorming gesammelt. Schnell hatte man eine ganze Reihe „cooler“ Sachen an die Wand gemalt. Viele dieser frühen Ideen sind übrigens noch heute in dem Spiel zu finden und werden auch den Release erleben. Neben Klassikern, wie „Zerstörbaren Reifen“, „Explodierenden Autos“ und „Intelligenten Gegnern“, gab es auch erste Ansätze, die mit einem normalen Shooter-Helden nicht zu bewältigen wären. Doch wie setzt man „Tarnmöglichkeit“, „Superstärke“ und „Weitsprung“ in die Realität um?
Als erste Idee geriet das Future Warrior-Programm der amerikanischen Regierung in den Fokus, das einige dieser Fähigkeiten in sich vereinigt. Doch das High-Tech-Equipment ging noch nicht weit genug. Zudem sah die Ausrüstung zu wuchtig aus und wurde dem Science-Fiction-Thematik der Hintergrundgeschichte nicht gerecht. Deshalb wurde mit der Nano-Suit ein Anzug geschaffen, der nicht nur deutlich hübscher anzusehen war, sondern auch viel mehr Interaktivität mit der Umgebung zuließ. Außerdem sollte die Entfernung bei den Kämpfen gegenüber Far Cry deutlich reduziert werden, damit man man die hübschen Gegner-Modelle in ihrer ganzen Pracht bestaunen konnte.
Doch vor der Entwicklung eines ersten Prototypen musste das Gamedesign auch einen ersten Interface-Entwurf gestalten. Schließlich muss der Spieler solch ein mächtiges Tool wie der Nano-Suit auch vernünftig bedienen können. Bernd Diemer fertige daraufhin erste Entwürfe in dem Grafikprogramm Visio an, die dann mit der Art-Direktion in erste Interface-Elemente umgesetzt wurden. Vier unterschiedliche Anzugeinstellungen wurden festgelegt. Speed, Strength, Armor und Cloak repräsentieren dabei die unterschiedlichen Spielideen aus der Brainstorming-Phase und ermöglichen eine individuelle Anpassung der Spielweise. Jede Einstellung besitzt Vor – und Nachteile.
High-Tech-Ausrüstung für einen unmöglichen Kampf
Während man mit „Speed“ in kürzester Zeit von Deckung zu Deckung sprinten kann, aber mehr Schaden nimmt, erhöht sich bei „Strength“ die Stärke und die Sprunghöhe in Kombination mit einer niedrigeren Geschwindigkeit. „Mit Cloak“ nimmt der Nano Suit die exakte Beschaffenheit des Hintergrunds ein und macht den Spieler damit nahezu unsichtbar, doch dafür entleert sich schnell die Anzugsenergie und man kann unverhofft ohne Schild vorm Gegner stehen. Bei „Armor“ dagegen hält man nicht nur die meisten Geschosse aus, sondern regeneriert auch am schnellsten Lebensenergie. Anfangs konnte man den Energieoutput und die Lebensregeneration des Anzugs zusätzlich noch mit Schiebereglern verändern. Erste Prototypen und Fokus-Gruppen zeigten allerdings, dass dies den meisten Spielern zu kompliziert war. So wurde Form und Bedienung und auch die Funktionalität mit jedem Designdurchgang an die Wünsche und Bedürfnisse des Zielpublikums angepasst.
Zur Überprüfung der Ergebnisse wurde ein Team damit beauftragt, eine erste Version des Nano Suit Playgrounds zu erschaffen. Mit der ersten Engine-Version entstand so ein Prototyp, der speziell auf die einzelnen Spielelemente ausgelegt war. In einer speziellen Karte wurden vorhandene Objekte in das System integriert und so alle Ideen genaustens geprüft. Neben dem eigentlichen Game-Design-Team wurden auch vermehrt andere Team-Mitglieder, aber auch externe Tester eingesetzt. Ergaben sich dann neue Entwicklungen, wurde der Prototyp verworfen und mit den Veränderungen eine zweite Version geschaffen. Gleichzeitig flossen die Erkenntnisse in erste Guidelines und Stylesheets, die für Art Direktion, Programmierung und Level-Design die Rahmenbedingungen festlegten.
Ein Tester wollte zum Beispiel einen Wasserspeicher besteigen und sammelte fleißig Tonnen, um eine Treppe zu bauen. Als er dann aber oben angekommen war, konnte er nicht auf dem Gebäude stehen, weil es keine Kollisionsabfrage besaß. Im nächsten Durchgang wurde die dann zwar eingebaut, dann beschwerten sich aber einige Tester darüber, dass es dort oben nach all der Mühe nichts zu finden gab. Also wurde ein Scharfschützengewehr auf dem Dach platziert, um die ganze Arbeit zu belohnen. Am härtesten traf es dabei manchmal die Programmierer. Sie mussten all die wahnwitzigen Wünsche umsetzen, die die Tester beim Spielen entwickelten. So fragte sich die Fokus-Gruppe, warum man die Bäume zwar zerstören, aber nicht aufnehmen kann. Wenn man dann aber zum Beispiel mit einem Busch in der Hand an einem Gegner vorbei läuft, muss dieser auch wissen, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Auch ist es logisch, dass wenn man schon ein Auto benutzen kann, man auch alle anderen Fahrzeuge einsetzen möchte. Um also die konsistent der Welt zu garantieren, wurden nach und nach alle logischen Fehler ausgebaut, ganz egal wie viel Arbeit dies bedeutete.
Richtlinien für ein gutes Game-Design
Die Guidelines wurden immer komplexer und zum Teil auch in Form von kleinen Tools integriert. Zum Beispiel zeigen Pfeile mit bestimmter Länge, wie weit der Spieler mit der Speed-Einstellung sprinten kann. Die Level-Designer mussten also immer am Ende einer solchen Linie eine Deckung einbauen, um eine taktische Vorgehensweise zu ermöglichen. Parallel dazu entstanden immer neue Interface-Entwürfe, bis die bildschirmfüllenden Bedienelemente auf ein kleines Drehrad zusammenschrumpften. Zusätzlich wurde für Hardcore-Gamer eine Tastatur-Steuerung der Einstellungen integriert, die sich vor allem in den Multiplayer-Gefechten etablierte.
Für die anwesenden Fachbesucher lieferte Herr Diemer auch einige Leitsätze, die gerade in deutschen Produktionen viel zu selten umgesetzt werden. Gerade „Der Spieler hat immer recht, wenn es ihm nicht gefällt, hat man was falsch gemacht“ sollten sich wirklich alle Entwickler zu Herzen nehmen. Mit einer dick gefüllten Kriegskasse ist das natürlich leicht gesagt. Crytek kann es sich eben erlauben, so lange Prototypen zu machen, bis auch der letzte Tester mit dem Ergebnis zufrieden ist. Trotzdem hätte es einigen deutschen Teams geholfen, wenn sie Sätze wie „Feedback ist euer Freund“, „Mehrheitsentscheidungen sind wichtig, aber Innovationen brauchen Zeit“ oder „Prototypen muss man wegschmeißen können“ für ihre Produktionen verinnerlicht hätten.
Nach den beeindruckenden Spielszenen im aktuellen Nano-Suit-Playground gab uns Bernd Diemer mit einem Lächeln noch eine kleine Videosequenz mit auf dem Weg. Statt der lauschigen Insel, dem vereisten Urwald oder den gerade erst geleakten Weltraumszenen spielten die bewegten Bilder in einer wüstenartigen Umgebung. Doch die Idylle wurde schon nach wenigen Sekunden von einer gewaltigen Explosion zerrissen. Die Schockwelle knickt Bäume und Gebäude wie Streichhölzer um und mit einem mächtigen Schlag endet das Video.
Da wir nach der Vorführung noch nicht genug von Crysis hatten, schnappten wir uns den Game Designer für ein kleines Interview. Schließlich blieben trotz des Workshops noch ein paar Fragen offen und durch den geleakten Alienworld-Trailer gab es auch sonst noch genug Gesprächsbedarf.
Eurogamer: Hallo erstmal, erzähl doch mal etwas über Dich. Warst Du schon bei Far Cry dabei?
Bernd Diemer: Ich bin Senior Game Designer von Crysis und erst nach Far Cry zu Crytek gestoßen. Ich kannte die Yerli-Brüder schon ziemlich lange und war die Jahre über immer mit ihnen in Kontakt. Kennen gelernt habe ich sie in Karlsruhe am ZKM (Zentrum für Kunst und Medientechnologie). Dort war ich 3 Jahre als Artist und Resident tätig und setzte mich erstmals mit Spielen auseinander. Ich hatte dort eine Gruppe, mit denen ich erste Spiele entwickelte, die aber sehr künstlerisch waren. Schon in meiner Diplomarbeit in Medienkunst habe ich mit Kommilitonen ein Spiel entwickelt. Nach heutigen Maßstäben war das eine recht klägliche Angelegenheit, ein Doom-Nachbau ohne richtiges 3D. In die Branche bin ich dann eingestiegen, weil ich Glück hatte. Ein Freund eines Freundes kannte jemanden.
Eurogamer: Und wie bist Du dann zu Crytek gekommen?
Bernd Diemer: Nachdem ich eine Menge Erfahrung in verschiedenen Entwicklerstudios (zum Beispiel Radon Labs/Project N.O.M.A.D.S.) gesammelt und viel in der Games Academy gelehrt habe, wollte mich Cervat Yeril als Senior-Designer bei Crysis dabei haben.
Eurogamer: Bei anderen Studios kümmern sich die Game Designer noch zum Teil um das Level-Design und um die Story. Gibt es bei Euch eine klare Trennung?
Bernd Diemer: Ich habe natürlich einen gewissen Einfluss auf diese Bereiche und verantworte auch, dass das alles zusammen passt. Das ist nicht so leicht zu trennen. Aber ich schreibe keine Story und keine Dialoge, denn wenn ich es machen würde, wären sie schlecht. Mehr als „Roger“, „Over and out“ und „Incoming Fire“ kommt da nicht zusammen.
Eurogamer: Das bekommst Du gerade noch so hin?
Bernd Diemer: (lacht) Ja. Aber Story- und Character-Development sind einfach nicht so mein Ding. Und beim Level-Design haben wir einfach auch bessere Leute, die sich darum kümmern.
Eurogamer: Wie viel Einfluss nehmen denn die Yerli-Brüder noch auf das Projekt? Die Stroy und die Spielidee soll doch von Cervat sein, oder?
Bernd Diemer: Cervat ist der Kreativ-Direktor bei Crytek und ich stimme eigentlich meine Arbeit täglich mit ihm ab. Vor allem wenn es um Features geht, hat er viele Ideen, die uns weiterhelfen. Ich gehe aber auch zu ihm, wenn ich eine Eingebung habe. Das geht so weit herunter, dass ich ihm sage, dass ich den Zug schneller machen möchte und er mir dann seinen Eindruck dazu vermittelt. Zusammen mit einem kleinen Team haben wir am White Board die Grundlagen geschaffen, die heute das Spiel ausmachen. Aber die eigentliche Spielidee und die Story sind zumindest in groben Zügen von Cervat. Ausformuliert wurde die Story aber dann von einem Autorenteam. Die haben von Cervat nur ein Treatment bekommen, wo drauf steht „Du bist auf einer Insel“, „Du musst das und das machen“ und „Die und die Charaktere hätten wir gern“. Die machen dann ein Storygerüst über das wir dann drüber gehen und sagen, was uns gefällt und was nicht. Und die arbeiten dann das aus.
Eurogamer: Darfst Du denn schon was zu den Zero-Gravity-Geschichten aus dem geleakten Video sagen?
Bernd Diemer: Ich darf nur sagen, dass wir sie haben.
Eurogamer: Findest Du es denn schade, dass der Trailer geleakt ist und damit zu viel von den Aliens gezeigt wurde?
Bernd Diemer: Ja sehr, weil wir aus der Präsentation einen schönen Event machen wollten. Wir haben uns darauf gefreut. Wir wollten das ordentlich machen und das was geleakt ist, ist nicht das, was wir zeigen wollten. Es war uralt und entspricht nicht mehr dem aktuellen Stand. Das war eben ein internes Franchise-Video, das nicht für die Öffentlichkeit gemacht war und das finde ich halt schade. Wir hatten schon was viel besseres vorbereitet und nun wissen wir nicht genau, wie wir damit umgehen sollen. Wir sind ja in dem Bereich so etwas wie Geek-Rockstars – worauf ich auch ein wenig stehe (grinst) – deswegen wollten wir die Aliens mit einem großen Tam-Tam enthüllen. Ich sah mich schon auf einer großen Tribüne ein Alien-Modell enthüllen. Das kann ich mir jetzt abschminken.
Eurogamer: Kannst Du uns denn sagen, ob es auch Zero-Gravity Multiplayer-Level geben wird?
Bernd Diemer: Das überlassen wir unseren Moddern. Man kann es machen, aber wir machen es nicht. Genauso wie Coop. Das ist etwas, was wir unheimlich gerne selbst machen würden, aber wir haben einfach nicht die Zeit dazu.
Eurogamer: Das ist relativ schade. Zumal ja die erfolgreichsten Titel, beispielsweise auf der Xbox 360, Coop hatten.
Bernd Diemer: Ja, etwa Gears of War.
Eurogamer: Oder aber Crackdown.
Bernd Diemer: Das habe ich noch nicht gespielt, aber viele bei uns in der Firma spielen das ausgiebig. Aber was ich noch zu Coop sagen könnte, wäre, dass wir natürlich eine schlechte Umsetzung hätten machen können. Also wie bei Quake und einfach einen zweiten Player spawnen. So etwas wollten wir aber nicht. Wenn wir schon einen kooperativen Modus umgesetzt hätten, hätten wir etwas besonderes machen wollen. Da mussten wir leider feststellen, dass wir dafür keine Zeit haben.
Eurogamer: Wie sieht es denn mit der Freiheit aus. Verwendet Ihr bei Crysis so wenig Skripte wie möglich?
Bernd Diemer: Es ist ein gutes Stück systematischer geworden, weil wir KI-Systeme haben, die besser damit klar kommen, was der Spieler macht. Es gibt natürlich auch geskriptete Events, wo wir wollen, dass an der Stelle etwas passiert. Das sind vor allem Story-relevante Sachen.
Eurogamer: Also habt Ihr die Künstliche Intelligenz weiter ausgebaut?
Bernd Diemer: Mussten wir, weil die Welt ein ganzes Stück komplexer geworden ist.
Eurogamer: Werden denn auch die Aliens intelligent agieren oder sind sie wie die Mutanten in Far Cry nur aufs Töten aus?
Bernd Diemer: Sie verwenden die gleichen KI-Routinen wie die Soldaten, besitzen die gleichen sensorischen Fähigkeiten und werden ebenso intelligent agieren. Sie haben logischerweise ein paar andere Verhaltensweisen, aber sie besitzen auch Gruppentaktiken.
Eurogamer: Kannst Du uns denn sagen, wie weit Ihr mit dem Titel seid?
Bernd Diemer: Wir sind jetzt fast Alpha. So wie die neuste Version, die ich Euch vorhin im Vortrag gezeigt habe, wird das Spiel auch am Ende aussehen. Wir haben alles drin, aber noch funktionieren nicht alle Sachen, wie wir es haben wollen.
Eurogamer: Vielen Dank für das Gespräch.
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posted by Woodrow at 4/24/2007 01:22:00 AM
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