[VGN] Peter Molyneux spricht ueber Fable 2
Noch sind die Herren Entwickler bei der Planung, aber diesmal haben sie sich vorgenommen, die Planung richtig zu machen. Also, richtig richtig. Innovative Ideen stehen im Vordergrund von Fable 2. Naja, ich sag mal "abwarten". Den ersten Teil fand ich von der spielerischen Idee auch super, aber dann kam es mit so einer Kinder-Grafik daher [...]
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Entertainment / 20.10.2006 / 12:01
"Ihr müsst mir glauben!": Peter Molyneux über Fable 2
Der Chef von Microsofts Studio Lionhead über Rollenspiele, Grausamkeit und Liebe
Entwicklerlegende Peter Molyneux, seines Zeichens Chef des von Microsoft übernommenen Spielestudios Lionhead, steckt hinter Klassikern wie Populous, Powermonger und Syndicate sowie aktuellen Titeln wie Black & White, The Movies und Fable. Bei vielen Spielen hat Molyneux viel versprochen und musste die Fans dann letztlich doch immer irgendwo enttäuschen, was mitunter zu Morddrohungen führte. Bei Fable 2 soll nun alles anders werden, auch wenn es offiziell noch nichts zu sehen gibt außer Konzeptbildern.
"I've come completely empty handed", betonte Molyneux gleich zu Anfang seiner Fable-2-Präsentation in Amsterdam anlässlich einer Xbox-360-Veranstaltung ("X06") von Microsoft. An Fable 2 arbeite Lionhead nicht nur, weil sich die Xbox- und PC-Version des ersten Fable etwa 3 Millionen Mal verkauft hätten. Vielmehr arbeite das Lionhead-Team mit absoluter Leidenschaft an einem wirklich revolutionären Spiel. Mit gefalteten Händen beschwor der redegewandte britische Spieleentwickler dann die versammelten Journalisten: "Ihr müsst mit glauben, wir arbeiten mit absoluter Leidenschaft an einem wirklich revolutionären Spiel - Wir wollen Fable 2 zu etwas ganz Besonderem machen!" Drei Dinge sollen Fable 2 ausmachen: die Spielwelt an sich, die Story inklusive der Charaktere und der Kampf. "Ich hoffe, Ihr werdet einige Originalität in diesen drei Dingen sehen", merkte Molyneux dazu an.
Die Arbeit an Fable 2 begann bereits vor einigen langen Monaten, wenn nicht vor Jahren, so der Lionhead-Chef. Gemeinsam mit Dean Carter und dem Grafiker Richard Hammond habe er sich hingesetzt und überlegt, ein Fable 2 zu machen: "Wir wussten ungefähr, was die Leute mochten [...]. Wären wir vernünftig, wie andere aus der Industrie, würden wir auch nur weiter das machen - und einfach das weglassen, was ihnen nicht gefällt. Aber Lionhead steht für die Idee, sich stärker zu bemühen als andere, zu experimentieren und mit Ideen zu spielen, die andere sich nicht einmal trauen zu denken."
Ganz so revolutionär und querdenkend waren die Lionhead-Spiele allerdings in der letzten Zeit doch nicht, statt Meilensteinen gab es durchwachsene bis gute, aber nicht unbedingt innovative Spiele. Molyneux gestand in Barcelona auch freimütig ein: "Wir haben [unsere Ideale] im letzten Jahr etwas aus den Augen verloren. Also haben wir uns hingesetzt und entschieden, Funktionen in Fable 2 zu integrieren, die Rollenspiele weit über das hinaustreiben, was wir heute sehen. Es gibt großartige Rollenspiele hier [auf der Veranstaltung], zum Beispiel Mass Effect - einfach Wahnsinn, dort ist Alan Wake - unglaublich fantastisches Kino, beeindruckend. Da ist Assassin's Creed, das all diese Dorf- und Stadtdinge enthält, die besser aussehen als bei Fable. Wenn wir also einen Nachfolger entwickeln, können wir nicht das Gleiche machen, wir müssen es deutlich besser hinbekommen - wir müssen es besser machen, als wir es jemals geschafft haben".
Um diese Herausforderung zu meistern, haben sich die drei Designer ihre Gedanken gemacht und dann das restliche Lionhead-Team damit konfrontiert: "Zuerst haben wir über die Welt geredet", so Molyneux, was mit Skepsis aufgenommen worden sein soll: "Ok, wir bauen eine simulierte Welt - fein, und in Fable 1 hast Du uns wirklich reingeritten, weil Du davon erzähltest, dass Eicheln gepflanzt und zu Eichenbäumen wachsen können." Nur hatte Molyneux damit beim Fable-2-Vorgänger wieder einmal etwas zu viel in Aussicht gestellt, was Folgen hatte: "Ich habe das aus dem Spiel genommen, und als das Spiel veröffentlicht wurde, habe ich ernsthaft Todesdrohungen von den Fans bekommen, ich hatte wirklich Angst um mein Leben, als Erstes wurde also gesagt, 'wir brauchen Eichenbäume'."
Molyneux geht es aber nicht darum, dass die Spieler Bäume pflanzen können, es geht ihm um mehr: "Dann haben wir angefangen, uns eine Technik namens 'Dynamic Environment' auszudenken. Sie funktioniert, sie wird im Spiel sein, alles was ich Euch jetzt sage, wird im Spiel sein! Wir haben damit experimentiert, etwas damit herumgespielt und das wird nicht herausgeschnitten." Es gehe darum, eine dynamische Umgebung zu schaffen, die sich im Laufe des Spiels auf Intervention seitens des Spielers verändert. Molyneux veranschaulichte das mit Hilfe eines Konzeptbildes, das eine "Brightwood" getaufte kleine Wagenansammlung auf einer Lichtung eines tiefen Waldareals zeigte, durch das der Spieler bei frühen Abenteuern im Spiel kommen wird.
"Nun, wie in einem traditionellen Rollenspiel kann der Spieler hineinlaufen, handeln und - weil Fable 2 immer noch sehr ungewöhnlich ist und sich um das Leben eines Helden dreht - zehn Jahre später wiederkommen. Aus dem Lager könnten einige Häuser geworden sein. Zehn Jahre später könnte es zu einem Dorf geworden sein und zehn Jahre danach könnte es sich in eine Stadt verwandelt haben. Was nun die dynamische Umgebung ermöglicht, ist Folgendes, und das ist cool: Ich könnte hier hingehen und jeden töten. Ich könnte das zum Spielstart machen und dann wäre da kein Dorf, keine Stadt, nur ein Wald. Also beeinflusst Du nicht nur Dich selbst, sondern die ganze Welt, das ist wichtig, es treibt Rollenspiele voran", schwärmte Molyneux.
Fable 2 soll es dem Spieler erlauben, kleine Änderungen zu machen, die große Auswirkungen haben: "Ich spiele das Spiel, Du spielst das Spiel. Dein Brightwood ist total anders als meines - und so soll es sein in einem Rollenspiel. Das ist die erste Sache in der Welt [von Fable 2] - eine dynamische Umgebung, die sich verändert, abhängig davon, was Du tust. Nicht alles wird sich verändern lassen, wenn es für die Story wichtig ist. Die meisten Sachen lassen sich aber beeinflussen. Kleine Sachen können zu etwas Großem gemacht werden, große Sachen aber nicht zu etwas Kleinem. Die Hauptstadt lässt sich also nicht zu einem Dorf machen, das wäre nicht richtig", schränkt Molyneux ein.
Die zweite große Neuerung ist etwas, von dem der britische Spieleentwickler glaubt, dass nicht alle die Bedeutung dahinter verstehen würden: "Wenn ich ein Spiel spiele, dann gibt es Verliese, Häuser, Burgen, aber sie gehören immer anderen! Ich will diese Orte besitzen! Ich will die Burg besitzen, ich will der Herr einer Burg sein. Ich will den kleinen Laden im Dorf besitzen, den großen Shop, die Straße, die Stadt, ich will die Hauptstadt besitzen! Ein ganzen Land, ich will, dass mich die Leute Lord, Thronerbe und König nennen. Und das ist es, was wir in Fable 2 machen werden, jedes Haus, jeder Ort, jedes Verlies, jede Burg, jede Kathedrale kann gekauft werden. Du kannst ihr Lord sein, egal ob kleine Hütte oder große Burg. Und das ist etwas Einzigartiges. Wer also das Spiel 'komplettieren' will, alles besitzen will, alles ausspielen will, wird lange damit zu tun haben. Aber alleine der Gedanke, die Burg zu besitzen, Lord genannt zu werden, die Leute auf einen warten zu sehen - das ist Rollenspiel, das ist es, was ich tun will, [...]".
Und das bringt Molyneux zur dritten wichtigen Neuerung, die Fable 2 ausmacht: "Die Möglichkeit, das zu sein, was ich sein will und das zu besitzen, was ich will und etwas bewegen zu können, das ist wirklich cool. Die Welt [von Fable 2] ist Fable I auf die nächste Generation aufgewertet plus neue Funktionen. Nun lasst uns über die Charaktere reden." In Fable 2 wird es nicht mehr nur die Möglichkeit geben, nur Männer, sondern auch Frauen zu spielen. Beide sollen ihre ureigenen Körperbewegungen haben, inklusive der Körperteile, die nur beim jeweiligen Geschlecht auf- und abwippen, merkte Molyneux süffisant an. "Ihr könnt Euch darunter vorstellen, was ihr wollt." Bei Lionhead habe man auch über andere Morphing-Möglichkeiten nachgedacht, anders als in Fable 1 sollen die Spielcharaktere im Aussehen auch nahtlos von reich nach arm verändert werden können, was zum Teil recht fies wirken soll. Einige Charakterstudien zeigten auch Steinschlosspistolen, die in Fable 1 nicht zu sehen waren - Fable 2 bleibt eine altertümliche Welt, die jedoch etwa 500 Jahre weiter in der Zukunft platziert ist.
Eine der wirklich großen Neuerungen von Fable, die dem Rollenspiel, der Glaubwürdigkeit der Welt und dem Spielgefühl zuträglich sein soll, wird Molyneux zufolge die "bedingungslose Liebe" sein: "Wie wir das machen? Das sage ich Euch: Du startest als kleines Kind, wirst erwachsen und während Du heranwächst, kannst Du mit Mädchen reden, oder wenn Du ein Mädchen spielst, mit Jungs. Du kannst mit dem Mädchen zusammenziehen, ich bleibe jetzt mal dabei, es heiraten und mit dem Mädchen geschützten oder ungeschützten Sex haben. Und wenn Du Dich für ungeschützten Sex entscheidest, dann gibt es eine Chance, ein Baby zu bekommen. Und ja, weil Du auch einen weiblichen Helden spielen kannst, kann Dein weiblicher Charakter schwanger werden - das ist etwas, das ich noch nie in einem Spiel gesehen habe."
Ob nun Heldin und Mutter oder Heldenvater - mit dem im Laufe des Spiels bis zum Jugendlichen heranwachsenden Kind gibt es laut Molyneux etwas, was Fable 2 zu etwas wirklich Besonderem machen soll: "Du gehst auf Abenteuer, Du kommst zurück nach Hause, die Tür springt auf und ein Kind rennt raus und ruft: 'Papi! Papi, Papi! Du siehst toll aus, ich hab gehört, dass Du viele Skorpione auf einem Hügel getötet hast.' Und nur dieses Gefühl, dass Dich dieses Ding liebt, ist etwas Neues, dass ich es niemals zuvor in einem Spiel gefühlt habe. Und dieses Ding liebt Dich, egal was Du tust. Es ist etwas gruselig. Und wenn Du ein wirklich böser Held bist, dann wird das Kind angerannt kommen und erzählen: 'Papi, Papi! Heute in der Schule habe ich zwei Kinder verprügelt!' Und ich denke: Oh Gott, ich habe dieses Monsterkind herangezogen."
Molyneux zufolge merkt man als Spieler jedoch, dass man sich durch die Anerkennung der virtuellen Kinder wirklich gut fühle. Allerdings sei bei Gameplay-Experimenten damit zumindest bei ihm selbst auch durchaus der gegenteilige Effekt aufgetreten, bei dem er als Spieler dann seine Allmachtsphantasien und fiesen Züge ausleben wollte. "Bevor ich es Euch erzähle, ich bin Vater eines echten Kindes, ich bin ein wundervoller Vater und ich würde niemals unfreundlich zu meinem Kind sein. Aber - wenn ich ein Computerspiel spiele, ist da etwas in mir, diese brutale Person... man kann unvorstellbar grausam sein."
Eine der Möglichkeiten, unvorstellbar grausam zu sein, sei es, der Familie kein Geld für Lebensmittel zukommen zu lassen. Molyneux: "Und das Kind wird herauskommen und sagen: 'Papi! Papi! Du bist zurück, wir sind soooo hungrig!' Und da merke ich, wie ich einen Apfelkuchen heraushole und ihn vor dem Kind aufesse. Wir haben dann noch Sätze wie 'Papi, nur ein kleines Stückchen, bitte!' dazugedacht. Und diese Grausamkeit ausleben zu können. Das ist ein Rollenspiel! Ich will [im Spiel] so sein, so verdorben und grausam es auch sein mag. Eine Familie haben, um die man sich sorgen kann, ist eine wunderbare Sache. Diese Familiengeschichten, die uneingeschränkte Liebe werden wir in Fable 2 ausschlachten, in der Geschichte und in Personen."
Ein wichtiger Spielfaktor dabei ist Geld. Man verdient in Fable 2 kein Geld als Abenteurer. Wer Fable 2 in zehn Stunden durchspielt, wird arm und die Familie wird verhungert sein, so der Entwickler. Allerdings verlässt sie den Helden dann eher, bevor sie wirklich verhungert. Der Spieler müsse einer Tätigkeit nachgehen, einem Beruf. Wenn man eine Farm besitzt, arbeitet man auf dem Feld und verdient Geld. Mit diesem kann dann ein Haus gekauft und dieses möbliert werden. Das alles ist ein Zusatz zum Kern der Hintergrundgeschichte, die laut Molyneux "sehr tiefgehend und sehr fortgeschritten" sein soll. Man denke mit Experten über verschiedene Wege der Erzählung nach, die im Spielverlauf genutzt werden können.
Die Geschichte soll die vierte Besonderheit von Fable 2 sein: "Es wird einen Bösewicht geben, der neue Bösewicht wird grausam zu Dir und Deiner Familie sein, wir werden damit das Mehrspieler-Spiel interessant machen und Du wirst eine Gruppe von Leuten, eine Gang von Helden zusammenbringen müssen, um diesen Bösewicht zu besiegen. Letztlich geht es in der Geschichte um Macht", so betont Molyneux. Die im Spiel vergehende Zeit soll laut Molyneux keine besondere Rolle spielen, man rechne die Spielzeit nicht in Jahre um. An Altersschwäche kann man nicht sterben, aber nach dem Ende der Geschichte weiterhin die Welt planen und verändern.
"All das sollte Hinweise darauf geben, wie wir den Mehrspielermodus gestalten", so Molyneux. In Fable musste der Spieler noch ohne virtuelle Kumpanen oder andere Spieler durch die Gegend ziehen. Den Mehrspielerteil von Fable 2 beschreibt Molyneux als wichtig, generell wachse die Bedeutung von Mehrspielermöglichkeiten - Details blieb der Entwickler aber schuldig. Immerhin verriet er aber etwas über das auch damit zusammenhängende Kampfsystem von Fable 2, in dem die Umgebung während der Kämpfe eine deutlich größere Bedeutung als beim ersten Fable spielen soll - wenn in Gebäuden, Gängen oder Katakomben gekämpft werde, soll es andere Kampfbewegungen geben als wenn es im offenen Gelände zur Sache geht.
Molyneux dazu: "Wir haben erkannt, dass damit beim Kampf eine ganz neue Strategie vonnöten ist." Es gehe nicht nur um das Drücken von Knöpfen oder das Bewegen, sondern wo man sich befinde. So könne etwa an einer anderen Stelle besser die Waffe geschwungen werden - ein Gang sich nicht als idealer Ort entpuppen und man automatisch nach mehr Platz suchen. Die Umgebung spiele also eine wichtige Rolle - und es ergebe sich eine ganz neue Methode, um Kämpfe im Spiel zu nutzen.
Kurz vor dem Schluss seiner konzeptionellen Vorstellung von Fable 2 gab Molyneux dann noch einen kryptischen Hinweis auf etwas, was sich noch im Spiel finden solle: "Wir brauchen etwas, das jeder lieben wird. Etwas wirklich Ungewöhnliches. Und als ich es dem Team und den anderen Designern vorstellte, sagte jeder: 'Was für eine bescheuerte Idee'. 'Das wird niemals funktionieren'. 'Absolut nicht'. Und ich musste meine Trumpfkarte nutzen, die ich nur zweimal zuvor in meinem Leben nutzte: 'Vertraut mir. Nur dieses eine Mal. Vertraut mir.'" Das Team habe ihm vertraut und ausprobiert. Es sei aber der Meinung, dass Molyneux nun von allen guten Geistern verlassen ist und die Sache keine große Bedeutung für das Spiel habe. Molyneux wollte deshalb in Barcelona noch nichts verraten, im März 2007 - auf der Game Developers Conference - soll das ominöse "Feature" dann aber erstmals zu sehen sein.
"Ich glaube, dass es die wirklich große Sache wird. Ich habe es jetzt schon zum zehnten Mal erzählt. [lacht] Aber das ist meine Vision, meine Leidenschaft. Ich designe wieder, ich führe kein Unternehmen mehr - und das bedeutet, ihr werdet wieder mit krankem Mist konfrontiert. Dafür entschuldige ich mich schon mal, aber Fable 2 wird so gut werden, wie wir es machen können", so Molyneux zum Abschied.
Wann Fable 2 letztlich erscheint und die großen Ideen damit in die Realität umgesetzt werden, wurde noch nicht verraten. Man könne nun experimentieren, was sehr teuer sei - mit der Mutter Microsoft aber kein Problem mehr zu sein scheint - und experimentiere nun erstmals vor der Entwicklung und nicht mittendrin oder nachdem erster Code existiere. Das ist ein riesiger Unterschied, so Molyneux zu Golem.de. (ck)
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Entertainment / 20.10.2006 / 12:01
"Ihr müsst mir glauben!": Peter Molyneux über Fable 2
Der Chef von Microsofts Studio Lionhead über Rollenspiele, Grausamkeit und Liebe
Entwicklerlegende Peter Molyneux, seines Zeichens Chef des von Microsoft übernommenen Spielestudios Lionhead, steckt hinter Klassikern wie Populous, Powermonger und Syndicate sowie aktuellen Titeln wie Black & White, The Movies und Fable. Bei vielen Spielen hat Molyneux viel versprochen und musste die Fans dann letztlich doch immer irgendwo enttäuschen, was mitunter zu Morddrohungen führte. Bei Fable 2 soll nun alles anders werden, auch wenn es offiziell noch nichts zu sehen gibt außer Konzeptbildern.
"I've come completely empty handed", betonte Molyneux gleich zu Anfang seiner Fable-2-Präsentation in Amsterdam anlässlich einer Xbox-360-Veranstaltung ("X06") von Microsoft. An Fable 2 arbeite Lionhead nicht nur, weil sich die Xbox- und PC-Version des ersten Fable etwa 3 Millionen Mal verkauft hätten. Vielmehr arbeite das Lionhead-Team mit absoluter Leidenschaft an einem wirklich revolutionären Spiel. Mit gefalteten Händen beschwor der redegewandte britische Spieleentwickler dann die versammelten Journalisten: "Ihr müsst mit glauben, wir arbeiten mit absoluter Leidenschaft an einem wirklich revolutionären Spiel - Wir wollen Fable 2 zu etwas ganz Besonderem machen!" Drei Dinge sollen Fable 2 ausmachen: die Spielwelt an sich, die Story inklusive der Charaktere und der Kampf. "Ich hoffe, Ihr werdet einige Originalität in diesen drei Dingen sehen", merkte Molyneux dazu an.
Die Arbeit an Fable 2 begann bereits vor einigen langen Monaten, wenn nicht vor Jahren, so der Lionhead-Chef. Gemeinsam mit Dean Carter und dem Grafiker Richard Hammond habe er sich hingesetzt und überlegt, ein Fable 2 zu machen: "Wir wussten ungefähr, was die Leute mochten [...]. Wären wir vernünftig, wie andere aus der Industrie, würden wir auch nur weiter das machen - und einfach das weglassen, was ihnen nicht gefällt. Aber Lionhead steht für die Idee, sich stärker zu bemühen als andere, zu experimentieren und mit Ideen zu spielen, die andere sich nicht einmal trauen zu denken."
Ganz so revolutionär und querdenkend waren die Lionhead-Spiele allerdings in der letzten Zeit doch nicht, statt Meilensteinen gab es durchwachsene bis gute, aber nicht unbedingt innovative Spiele. Molyneux gestand in Barcelona auch freimütig ein: "Wir haben [unsere Ideale] im letzten Jahr etwas aus den Augen verloren. Also haben wir uns hingesetzt und entschieden, Funktionen in Fable 2 zu integrieren, die Rollenspiele weit über das hinaustreiben, was wir heute sehen. Es gibt großartige Rollenspiele hier [auf der Veranstaltung], zum Beispiel Mass Effect - einfach Wahnsinn, dort ist Alan Wake - unglaublich fantastisches Kino, beeindruckend. Da ist Assassin's Creed, das all diese Dorf- und Stadtdinge enthält, die besser aussehen als bei Fable. Wenn wir also einen Nachfolger entwickeln, können wir nicht das Gleiche machen, wir müssen es deutlich besser hinbekommen - wir müssen es besser machen, als wir es jemals geschafft haben".
Um diese Herausforderung zu meistern, haben sich die drei Designer ihre Gedanken gemacht und dann das restliche Lionhead-Team damit konfrontiert: "Zuerst haben wir über die Welt geredet", so Molyneux, was mit Skepsis aufgenommen worden sein soll: "Ok, wir bauen eine simulierte Welt - fein, und in Fable 1 hast Du uns wirklich reingeritten, weil Du davon erzähltest, dass Eicheln gepflanzt und zu Eichenbäumen wachsen können." Nur hatte Molyneux damit beim Fable-2-Vorgänger wieder einmal etwas zu viel in Aussicht gestellt, was Folgen hatte: "Ich habe das aus dem Spiel genommen, und als das Spiel veröffentlicht wurde, habe ich ernsthaft Todesdrohungen von den Fans bekommen, ich hatte wirklich Angst um mein Leben, als Erstes wurde also gesagt, 'wir brauchen Eichenbäume'."
Molyneux geht es aber nicht darum, dass die Spieler Bäume pflanzen können, es geht ihm um mehr: "Dann haben wir angefangen, uns eine Technik namens 'Dynamic Environment' auszudenken. Sie funktioniert, sie wird im Spiel sein, alles was ich Euch jetzt sage, wird im Spiel sein! Wir haben damit experimentiert, etwas damit herumgespielt und das wird nicht herausgeschnitten." Es gehe darum, eine dynamische Umgebung zu schaffen, die sich im Laufe des Spiels auf Intervention seitens des Spielers verändert. Molyneux veranschaulichte das mit Hilfe eines Konzeptbildes, das eine "Brightwood" getaufte kleine Wagenansammlung auf einer Lichtung eines tiefen Waldareals zeigte, durch das der Spieler bei frühen Abenteuern im Spiel kommen wird.
"Nun, wie in einem traditionellen Rollenspiel kann der Spieler hineinlaufen, handeln und - weil Fable 2 immer noch sehr ungewöhnlich ist und sich um das Leben eines Helden dreht - zehn Jahre später wiederkommen. Aus dem Lager könnten einige Häuser geworden sein. Zehn Jahre später könnte es zu einem Dorf geworden sein und zehn Jahre danach könnte es sich in eine Stadt verwandelt haben. Was nun die dynamische Umgebung ermöglicht, ist Folgendes, und das ist cool: Ich könnte hier hingehen und jeden töten. Ich könnte das zum Spielstart machen und dann wäre da kein Dorf, keine Stadt, nur ein Wald. Also beeinflusst Du nicht nur Dich selbst, sondern die ganze Welt, das ist wichtig, es treibt Rollenspiele voran", schwärmte Molyneux.
Fable 2 soll es dem Spieler erlauben, kleine Änderungen zu machen, die große Auswirkungen haben: "Ich spiele das Spiel, Du spielst das Spiel. Dein Brightwood ist total anders als meines - und so soll es sein in einem Rollenspiel. Das ist die erste Sache in der Welt [von Fable 2] - eine dynamische Umgebung, die sich verändert, abhängig davon, was Du tust. Nicht alles wird sich verändern lassen, wenn es für die Story wichtig ist. Die meisten Sachen lassen sich aber beeinflussen. Kleine Sachen können zu etwas Großem gemacht werden, große Sachen aber nicht zu etwas Kleinem. Die Hauptstadt lässt sich also nicht zu einem Dorf machen, das wäre nicht richtig", schränkt Molyneux ein.
Die zweite große Neuerung ist etwas, von dem der britische Spieleentwickler glaubt, dass nicht alle die Bedeutung dahinter verstehen würden: "Wenn ich ein Spiel spiele, dann gibt es Verliese, Häuser, Burgen, aber sie gehören immer anderen! Ich will diese Orte besitzen! Ich will die Burg besitzen, ich will der Herr einer Burg sein. Ich will den kleinen Laden im Dorf besitzen, den großen Shop, die Straße, die Stadt, ich will die Hauptstadt besitzen! Ein ganzen Land, ich will, dass mich die Leute Lord, Thronerbe und König nennen. Und das ist es, was wir in Fable 2 machen werden, jedes Haus, jeder Ort, jedes Verlies, jede Burg, jede Kathedrale kann gekauft werden. Du kannst ihr Lord sein, egal ob kleine Hütte oder große Burg. Und das ist etwas Einzigartiges. Wer also das Spiel 'komplettieren' will, alles besitzen will, alles ausspielen will, wird lange damit zu tun haben. Aber alleine der Gedanke, die Burg zu besitzen, Lord genannt zu werden, die Leute auf einen warten zu sehen - das ist Rollenspiel, das ist es, was ich tun will, [...]".
Und das bringt Molyneux zur dritten wichtigen Neuerung, die Fable 2 ausmacht: "Die Möglichkeit, das zu sein, was ich sein will und das zu besitzen, was ich will und etwas bewegen zu können, das ist wirklich cool. Die Welt [von Fable 2] ist Fable I auf die nächste Generation aufgewertet plus neue Funktionen. Nun lasst uns über die Charaktere reden." In Fable 2 wird es nicht mehr nur die Möglichkeit geben, nur Männer, sondern auch Frauen zu spielen. Beide sollen ihre ureigenen Körperbewegungen haben, inklusive der Körperteile, die nur beim jeweiligen Geschlecht auf- und abwippen, merkte Molyneux süffisant an. "Ihr könnt Euch darunter vorstellen, was ihr wollt." Bei Lionhead habe man auch über andere Morphing-Möglichkeiten nachgedacht, anders als in Fable 1 sollen die Spielcharaktere im Aussehen auch nahtlos von reich nach arm verändert werden können, was zum Teil recht fies wirken soll. Einige Charakterstudien zeigten auch Steinschlosspistolen, die in Fable 1 nicht zu sehen waren - Fable 2 bleibt eine altertümliche Welt, die jedoch etwa 500 Jahre weiter in der Zukunft platziert ist.
Eine der wirklich großen Neuerungen von Fable, die dem Rollenspiel, der Glaubwürdigkeit der Welt und dem Spielgefühl zuträglich sein soll, wird Molyneux zufolge die "bedingungslose Liebe" sein: "Wie wir das machen? Das sage ich Euch: Du startest als kleines Kind, wirst erwachsen und während Du heranwächst, kannst Du mit Mädchen reden, oder wenn Du ein Mädchen spielst, mit Jungs. Du kannst mit dem Mädchen zusammenziehen, ich bleibe jetzt mal dabei, es heiraten und mit dem Mädchen geschützten oder ungeschützten Sex haben. Und wenn Du Dich für ungeschützten Sex entscheidest, dann gibt es eine Chance, ein Baby zu bekommen. Und ja, weil Du auch einen weiblichen Helden spielen kannst, kann Dein weiblicher Charakter schwanger werden - das ist etwas, das ich noch nie in einem Spiel gesehen habe."
Ob nun Heldin und Mutter oder Heldenvater - mit dem im Laufe des Spiels bis zum Jugendlichen heranwachsenden Kind gibt es laut Molyneux etwas, was Fable 2 zu etwas wirklich Besonderem machen soll: "Du gehst auf Abenteuer, Du kommst zurück nach Hause, die Tür springt auf und ein Kind rennt raus und ruft: 'Papi! Papi, Papi! Du siehst toll aus, ich hab gehört, dass Du viele Skorpione auf einem Hügel getötet hast.' Und nur dieses Gefühl, dass Dich dieses Ding liebt, ist etwas Neues, dass ich es niemals zuvor in einem Spiel gefühlt habe. Und dieses Ding liebt Dich, egal was Du tust. Es ist etwas gruselig. Und wenn Du ein wirklich böser Held bist, dann wird das Kind angerannt kommen und erzählen: 'Papi, Papi! Heute in der Schule habe ich zwei Kinder verprügelt!' Und ich denke: Oh Gott, ich habe dieses Monsterkind herangezogen."
Molyneux zufolge merkt man als Spieler jedoch, dass man sich durch die Anerkennung der virtuellen Kinder wirklich gut fühle. Allerdings sei bei Gameplay-Experimenten damit zumindest bei ihm selbst auch durchaus der gegenteilige Effekt aufgetreten, bei dem er als Spieler dann seine Allmachtsphantasien und fiesen Züge ausleben wollte. "Bevor ich es Euch erzähle, ich bin Vater eines echten Kindes, ich bin ein wundervoller Vater und ich würde niemals unfreundlich zu meinem Kind sein. Aber - wenn ich ein Computerspiel spiele, ist da etwas in mir, diese brutale Person... man kann unvorstellbar grausam sein."
Eine der Möglichkeiten, unvorstellbar grausam zu sein, sei es, der Familie kein Geld für Lebensmittel zukommen zu lassen. Molyneux: "Und das Kind wird herauskommen und sagen: 'Papi! Papi! Du bist zurück, wir sind soooo hungrig!' Und da merke ich, wie ich einen Apfelkuchen heraushole und ihn vor dem Kind aufesse. Wir haben dann noch Sätze wie 'Papi, nur ein kleines Stückchen, bitte!' dazugedacht. Und diese Grausamkeit ausleben zu können. Das ist ein Rollenspiel! Ich will [im Spiel] so sein, so verdorben und grausam es auch sein mag. Eine Familie haben, um die man sich sorgen kann, ist eine wunderbare Sache. Diese Familiengeschichten, die uneingeschränkte Liebe werden wir in Fable 2 ausschlachten, in der Geschichte und in Personen."
Ein wichtiger Spielfaktor dabei ist Geld. Man verdient in Fable 2 kein Geld als Abenteurer. Wer Fable 2 in zehn Stunden durchspielt, wird arm und die Familie wird verhungert sein, so der Entwickler. Allerdings verlässt sie den Helden dann eher, bevor sie wirklich verhungert. Der Spieler müsse einer Tätigkeit nachgehen, einem Beruf. Wenn man eine Farm besitzt, arbeitet man auf dem Feld und verdient Geld. Mit diesem kann dann ein Haus gekauft und dieses möbliert werden. Das alles ist ein Zusatz zum Kern der Hintergrundgeschichte, die laut Molyneux "sehr tiefgehend und sehr fortgeschritten" sein soll. Man denke mit Experten über verschiedene Wege der Erzählung nach, die im Spielverlauf genutzt werden können.
Die Geschichte soll die vierte Besonderheit von Fable 2 sein: "Es wird einen Bösewicht geben, der neue Bösewicht wird grausam zu Dir und Deiner Familie sein, wir werden damit das Mehrspieler-Spiel interessant machen und Du wirst eine Gruppe von Leuten, eine Gang von Helden zusammenbringen müssen, um diesen Bösewicht zu besiegen. Letztlich geht es in der Geschichte um Macht", so betont Molyneux. Die im Spiel vergehende Zeit soll laut Molyneux keine besondere Rolle spielen, man rechne die Spielzeit nicht in Jahre um. An Altersschwäche kann man nicht sterben, aber nach dem Ende der Geschichte weiterhin die Welt planen und verändern.
"All das sollte Hinweise darauf geben, wie wir den Mehrspielermodus gestalten", so Molyneux. In Fable musste der Spieler noch ohne virtuelle Kumpanen oder andere Spieler durch die Gegend ziehen. Den Mehrspielerteil von Fable 2 beschreibt Molyneux als wichtig, generell wachse die Bedeutung von Mehrspielermöglichkeiten - Details blieb der Entwickler aber schuldig. Immerhin verriet er aber etwas über das auch damit zusammenhängende Kampfsystem von Fable 2, in dem die Umgebung während der Kämpfe eine deutlich größere Bedeutung als beim ersten Fable spielen soll - wenn in Gebäuden, Gängen oder Katakomben gekämpft werde, soll es andere Kampfbewegungen geben als wenn es im offenen Gelände zur Sache geht.
Molyneux dazu: "Wir haben erkannt, dass damit beim Kampf eine ganz neue Strategie vonnöten ist." Es gehe nicht nur um das Drücken von Knöpfen oder das Bewegen, sondern wo man sich befinde. So könne etwa an einer anderen Stelle besser die Waffe geschwungen werden - ein Gang sich nicht als idealer Ort entpuppen und man automatisch nach mehr Platz suchen. Die Umgebung spiele also eine wichtige Rolle - und es ergebe sich eine ganz neue Methode, um Kämpfe im Spiel zu nutzen.
Kurz vor dem Schluss seiner konzeptionellen Vorstellung von Fable 2 gab Molyneux dann noch einen kryptischen Hinweis auf etwas, was sich noch im Spiel finden solle: "Wir brauchen etwas, das jeder lieben wird. Etwas wirklich Ungewöhnliches. Und als ich es dem Team und den anderen Designern vorstellte, sagte jeder: 'Was für eine bescheuerte Idee'. 'Das wird niemals funktionieren'. 'Absolut nicht'. Und ich musste meine Trumpfkarte nutzen, die ich nur zweimal zuvor in meinem Leben nutzte: 'Vertraut mir. Nur dieses eine Mal. Vertraut mir.'" Das Team habe ihm vertraut und ausprobiert. Es sei aber der Meinung, dass Molyneux nun von allen guten Geistern verlassen ist und die Sache keine große Bedeutung für das Spiel habe. Molyneux wollte deshalb in Barcelona noch nichts verraten, im März 2007 - auf der Game Developers Conference - soll das ominöse "Feature" dann aber erstmals zu sehen sein.
"Ich glaube, dass es die wirklich große Sache wird. Ich habe es jetzt schon zum zehnten Mal erzählt. [lacht] Aber das ist meine Vision, meine Leidenschaft. Ich designe wieder, ich führe kein Unternehmen mehr - und das bedeutet, ihr werdet wieder mit krankem Mist konfrontiert. Dafür entschuldige ich mich schon mal, aber Fable 2 wird so gut werden, wie wir es machen können", so Molyneux zum Abschied.
Wann Fable 2 letztlich erscheint und die großen Ideen damit in die Realität umgesetzt werden, wurde noch nicht verraten. Man könne nun experimentieren, was sehr teuer sei - mit der Mutter Microsoft aber kein Problem mehr zu sein scheint - und experimentiere nun erstmals vor der Entwicklung und nicht mittendrin oder nachdem erster Code existiere. Das ist ein riesiger Unterschied, so Molyneux zu Golem.de. (ck)
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